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Fritze-Karl-Bennel (-Bändel, -Kordel, Fäden)


Fritze-Karl-Bennel (-Bändel, -Kordel, Fäden)
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„Das waren ca. 60 cm lange Geflecht-Schnüre, bei denen dann in mühevoller Arbeit die einzelnen Fäden herausgezogen wurden. Dann knotete man die einzelnen Fäden zusammen und verwendete sie als Häkel-„Wolle“.

Aus besagter “Wolle” hatte meine Mutter mir mal einen Strumpfhalter gehäkelt, damit es gut aussah, richtete sie alle Knoten nach innen. Dass das ganz schön gekratzt hat, kann man sich leicht vorstellen.

Die Bennel wurden in unserer Familie “Zobbe-Bennel” genannt. Ich bin 1946 in die Schule gekommen und wurde in der kalten Jahreszeit mit kurzen Hosen und langen Strümpfen, die mit einem Lochgummi Streifen an besagtem Leibchen befestigt waren, in die Schule geschickt.“  Soweit das Zitat von Karl Steiger.

Ich (Helmut W. Diedrichs) bin ein Enkel von diesem Karl Fritz, der für Arheilger Verhältnisse damals ein großes Geschäft in der heutigen Frankfurter Landstraße 199 hatte. Er verkaufte dort nach dem Krieg in der Zeit des großen Mangels die Kordel-Bündel. Anfang der 50er Jahre hatte er ein noch relativ großes Lager dieser Bündel. Sie waren angesichts des wachsenden Wohlstandes mittlerweile unverkäuflich geworden. Wir Enkel spielten mit diesen „Sack-Kordeln“ wie wir sie nannten und verwendeten sie zusammengeknotet eher als Schnüre oder Seile für alles Mögliche, was man sich denken kann.

Die Fritze-Karl-Bennel waren 1946 Konversionsware: Es waren die Schnüre der militärischen Fallschirme. Sie hatten ca. 4 mm Durchmesser Die Fäden waren in einer umwebten Hülle. Diese unheimlich reißfesten Schnüre wurden in Stücke von 60 cm geschnitten und zu 120 Stück gebündelt.

Der Arheilger Günter Schunk erinnert sich auch. Seine Familie nannte sie „Fritz-Karl-Fäden“.

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Kriegsende in Arheilgen (Übergabe):

Auszug aus einem Aufsatz meiner Mutter (Ruth Diedrichs, geb. Fritz):

Inzwischen gab es an den Fronten einen Wandel. In den Kriegsberichten hörte man immer öfter, dass die Truppen sich zur Lageverbesserung “erfolgreich zurückgesetzt” hätten. Die schweren Luftangriffe auf die deutschen Städte wurden häufiger und totaler. Man musste viele Nächte und oft auch am Tag in den Luftschutzkeller, die Lebensmittel wurden knapper und viele Todesnachrichten kamen von den Fronten. Auch Darmstadt erlebte seinen schweren Luftangriff, bei dem zwei Drittel der Innenstadt vernichtet wurde. Es war grauenvoll; acht Tage später lagen noch Tote auf der Straße. Der Geruch der Leichen erfüllte die Luft. Alle Männer mussten zum Bergen der Verletzten und Toten in die Innenstadt. Es war schaurig, als unser Vater berichtete, wie sie die Toten auf die Lastwagen schleppten und auf dem Waldfriedhof in Massengräbern begruben. Noch durfte niemand den Sieg anzweifeln. Wer das nur auszusprechen gewagt hätte, wäre wegen Wehrzersetzung ins KZ gekommen.

Die Stimmung unter der Bevölkerung wurde immer gedrückter. Dennoch wurde, als 1945 die feindlichen Heere auf Darmstadt anrückten, angeordnet, dass die Stadt zu verteidigen sei. Unser Vater Karl Fritz musste zum Volkssturm antreten und wurde zum stellvertretenden Einsatzleiter bestimmt. Als die Panzer näher kamen, sollten in Arheilgen Barrikaden aufgerichtet werden, um den Feind aufzuhalten. Ein aussichtsloses Unternehmen! Als unser Vater deshalb den Polizeimeister anrief, um ihn zu konsultieren, erhielt er von dessen Frau den Bescheid, dass er nicht aufzufinden sei. Das brachte ihn zum gleichen Entschluss. Er verbarg sich, ohne seine Familie von seinem Versteck wissen zu lassen. Durch den Einsatz von Pfarrer Grein und einiger anderer beherzter Männer wurden die begonnenen Barrieren rechtzeitig entfernt, bevor es zu Kämpfen kommen konnte. So wurde Arheilgen von den Amerikanern kampflos besetzt und vor weiteren Kriegsverwüstungen verschont.

Zu diesem Zeitpunkt  waren nur noch unsere Eltern in Darmstadt-Arheilgen. Wir Töchter waren wegen der akuten Bedrohung entweder im Odenwald oder in Oberhessen. In Gronau, wo Hedwig mit ihrem Kleinkind und ich uns aufhielten, kam es noch zu Kämpfen. Die Feindmächte hatten schon rundherum alles eingenommen, nur im Tal Gronau waren noch einige Soldaten versprengt, die sich gerne ergeben hätten. (Zum Teil hatten sie von der Bevölkerung Zivilkleider bekommen und konnten fliehen). Der Rest wurde von einigen SS-Leuten mit Gewehren hinter ihrem Rücken zum letzten Kampf gezwungen und viele sind noch sinnlos gefallen. Wir verbrachten die letzen Nächte, und auch teilweise die Tage, in einem großen Gewölbekeller, in dem Kohle gelagert war. Auf dar-über gelegten Decken konnten wir zeitweise Schlaf finden. Einige Wochen nach dem Krieg, als es weder Zeitung noch Telefon gab, plagte uns die Ungewissheit, was mit unseren Eltern geschehen sei, und wir machten uns mit der kleinen Ruth Dingeldein (verh. Mir) (1 Jahr) im Kinderwagen zu Fuß auf die Reise nach Hau-se. Dort trafen wir die Eltern und Arheilgen unversehrt an. Die Amerikaner hatten im Ort Quartier genommen, und viele Leute mussten ihre Häuser räumen. Aber der Krieg war aus, und man war von der Naziherrschaft befreit. Trotz des bitteren Endes waren wir darüber froh und dankbar. (Helmut W. Diedrichs)